Vom Schatten zum Licht!

Vom Schatten zum Licht – EMDR (Eye Movement Desensitization and Reprocessing) in der Behandlung von traumatischen Geburtserlebnissen

Sie hatten eine wunderbare, unaufgeregte, gelassene Schwangerschaft. Die Verbindung zu ihrem Kind im Bauch war innig, liebevoll und intensiv. Der Nestbau ist abgeschlossen. Sie sind gut auf die Geburt vorbereitet. Dann ist der Moment da. Ihr Baby macht sich auf den Weg ans Licht der Welt, den sie souverän und kraftvoll unterstützen. Die Geburt eines Kindes ist zweifelsohne, eins der größten Erlebnisse, die man als Frau erleben darf.

Doch dann kommt da plötzlich der Moment, wo die Geburt  nicht mehr perfekt natürlich abläuft. Ihr Kind bleibt stecken. Nichts geht mehr. Sie sind aus der ursprünglichen Kraft raus. Der Zustand des Kindes verschlechtert sich zunehmend. Es geht um Minuten. Sie haben Angst um ihr Kind. An sich selbst denken sie schon gar nicht mehr. Gefühl von totaler Hilflosigkeit. Keine Souveränität mehr da. Der Situation und den Menschen im Kreisssal ausgeliefert. Jetzt muss alles schnell gehen. Die Hebamme steigt hinter sie und drückt mit enormer Kraft das Kind aus ihnen heraus, von unten wird gezogen. Bruchteile von Sekunden. Ihr Baby ist da. So haben Sie sich die Geburt Ihres Kindes nicht vorgestellt.

8092918 - close-up of baby's hand holding mother's fingerSo oder so ähnlich erleben immer wieder Frauen die Geburt Ihres Kindes.  Auch eine Zangen-, oder Saugglockenentbindung, oder ein Notkaiserschnitt kann als  extrem belastend empfunden werden, gerade auch auf der Gefühlsebene. Gleiches gilt aber auch für Fehl- und Totgeburten. Die Auswirkungen auf das nachgeburtliche -seelische – Erleben können enorm sein. Frauen, werdende Väter und auch Großeltern sind darauf oft nur wenig vorbereitet.

So ein intensives, als belastend bis traumatisch empfundenes Geburtserlebnis,  lässt sich sehr gut und vor allem zeitnah behandeln.

EMDR zur Traumaauflösung
Die Beobachtung, dass Emotionen von den ihnen ursprünglich zugeordneten Ereignissen oder Situationen entkoppelt werden können, bildet die Grundidee von EMDR.
Ausgelöst durch Augenbewegungen oder andere bilaterale Stimulation (akustisch oder kinästhetisch) kann im Gehirn die Verbindung von Reiz und Reaktion getrennt werden. Damit wird das subjektive Belastungsempfinden verändert und die zuvor als negativ erlebten Emotionen neutralisiert. Wahrscheinlich auch der Grund dafür, das EMDR nachweislich sehr viel schneller hilft als andere Therapiemethoden. Nach einer erfolgreichen EMDR-Sitzung erleben die meisten eine entlastende Veränderung der Erinnerung, die damit verbundene körperliche Erregung klingt deutlich ab und negative Gedanken können (auch von der Gefühlsebene her) neu und vor allem positiver umformuliert werden.

Der Verlauf des Reprocessings (Teil der EMDR Behandlung) einer traumatischen Geburt kann z.B. so erlebt werden, dass die ursprünglich belastenden Bilder – wie in einer Schrottpresse zu stecken –  schwammiger und in den Konturen unschärfer werden, sich am Ende sogar ganz auflösen. Mitunter wird ein befreiendes Gefühl von Loslassen erlebt. Körperempfindungen schwächen sich ab. Wenn am Anfang vielleicht das Gefühl von Druck auf den Lungen wahrgenommen wurde kann sich das über ein Körperempfinden im Bauch über andere Körperbereiche hinweg gänzlich auflösen.

Ziel ist es, die Belastung aus dem Ereignis kaum noch wahrzunehmen. Innerlich sollte die positive Selbstüberzeugung – z.B. Ich bin selbstbestimmt – als immer zutreffender wahrgenommen werden.

Der große Gewinn einer schnellen Hilfe
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Die nachgeburtliche Phase ist für alle Frauen eine Zeit enormer physischer, emotionaler und sozialer Umwälzungen. Ja, Kinder sind ganz ohne Zweifel sehr bereichernd und bringen auch viel Freude ins Leben. Doch die damit verbundenen Veränderungen sind erheblich. Insofern ist es wichtig, gerade auch den Teil der Geburt, der als belastend, traumatisierend erlebt wurde, zeitnah zu behandeln.

Das wirkt sich zum einen umgehend entspannend und entlastend auf die junge Mutter aus und damit auch direkt auf das Kind. Zum anderen kann verhindert werden, dass die junge Mutter überhaupt erst in ein Gefühl des persönlichen Versagens reingeht, was oft sehr stark und anhaltend und was so irrational, wie auch emotional ist – übrigens mit einer der Auslöser von postpartaler Depression.

Wichtig ist aber auch, dass das so Erlebte gar nicht erst, schwer wie Blei, im Unterbewusstsein absinkt. Das ist von besonderer Bedeutung bei weiterem Kinderwunsch, denn ein unbearbeitetes traumatisches Geburtserlebnis kann hemmend auf die neue Geburt wirken.

Es ist wirklich faszinierend zu erleben, wie schnell und effektiv die Hilfe mit EMDR in diesem Kontext ankommt und wie stark die Entlastung wahrgenommen wird. Für mich eine sehr bereichernde Erfahrung in der Arbeit mit dieser Methode.

Wie groß auch die Erleichterung in den Familien ist, einfach mal aussprechen zu können, dass eben nicht alles perfekt ist. Sich seine Ängste eingestehen zu dürfen. Sich auch mal abgrenzen zu dürfen, eben mal keinen Besuch haben zu wollen und das auch zu sagen. Die Dankeskarten nicht gleich in Woche 4 nach der Geburt zu verschicken. Sich einfach nur Ruhe gönnen und als kleine Familie zusammenwachsen.


PLAKAT_846x600pix1„Um das idealisierte Mutterbild zu entmystifizieren, bedarf es einer neuen objektiven Sichtweise. … Eine ausbalancierte Einschätzung der Mutterrolle, die beide Seiten gleichermaßen berücksichtigt, kann Frauen helfen, mit den postpartalen Problemen besser fertig zu werden. Sie werden eher bereit sein, ihre Schwierigkeiten offen zu legen und um Unterstützung zu bitten. Und schließlich muss die medienwirksame „Supermama“ vom Korsett eng geschnürter Erwartungen befreit werden: die stets perfekte, allseits präsente, sich aufopfernde Mutter, die keine eigenen Bedürfnisse und keine negativen Gefühle kennt.
Immer wieder stellen betroffene Frauen die Forderung nach pränataler Aufklärung und verbesserter postpartaler Nachsorge auf, die vor allem Gemüt, Stimmung und Gefühle einer Mutter in den Vordergrund rücken. Die Bereitstellung adäquater Hilfe für an postpartaler Depression oder Psychose leidende Frauen ist hierzulande im Vergleich zu den anglo-amerikanischen Ländern, die mit speziellen Nachsorgeuntersuchungen, Forschungsgruppen, Ausbildungsprogrammen, Anlaufstellen, Vereinen und Selbsthilfegruppen, wie auch Mutter-Kind-Einrichtungen in der Psychiatrie breitgestreut aufwarten können, als noch unzureichend einzustufen. In dieser Hinsicht ist Deutschland wirklich ein „Entwicklungsland“. Es aus diesem unterentwickelten Stadium herauszuholen, ist Ziel des Vereins „Schatten & Licht e. V.„.“

Ein Engagement, dass ich als Mitglied und Beraterin von Herzen unterstütze.

Anke Mehrholz